Franz Dinghofer als „Mentor“ einer freiheitlichen „Denkwerkstatt“? Rechtfertigung und Rehabilitierung

(Fortsetzung)

Die auf der Wikipedia-Seite zu Franz Dinghofer von mir am 27. Jänner 2020 eingefügten Ergänzungen zur Relativierung seiner antisemitischen Einstellung sowie vor allem die zur Widerlegung der Behauptung seiner Mitgliedschaft in der NSDAP aus Wiener und Berliner Archiven vorgelegten Belege, ferner Richtigstellungen auf Grundlage neuer Literatur zu Ablauf und Ergebnis der Enteignung von Dinghofers Familiengut sowie zu seiner unmittelbar 1938 nach dem Anschluss durch die Nationalsozialisten angeordneten Entlassung, wurden nahezu postwendend Zug-um-Zug von mehreren „Bearbeitern“ gekürzt und schließlich von einem „Administrator“ (Neusprech für „Zensor“?) gelöscht („zurückgesetzt“) – offenbar, um diesen Fakten die virtuelle Publizität zu entziehen.[1] Nun stehen aber reale Publikationen zur Verfügung, deren Existenz auch von Wikipedia nach Muster einer condemnatio memoriae nicht aus der Welt geschaffen werden können.[2]

Der Linzer Gemeindevorstand lässt seit Juni 2019 unter Federführung des sozialdemokratischen Bürgermeisters durch eine Historikerkommission sämtliche Straßen­bezeichnungen der Stadt unter die Lupe nehmen − es gilt Verkehrsflächen in Linz, welche nach Personen benannt sind, die als Antisemiten, Rassisten oder Träger autoritären Gedankenguts gelten, zu ermitteln. Vorausgegangen war der Initiative des Stadtchefs ein gemeinsamer Antrag der Grünen und der KPÖ im Linzer Gemeinderat über die Umbenennung der Dinghoferstraße. Der Verfassungsausschuss des Gemeinderates hat dann Anfang vergangenen Mai einstimmig – wohl auch mit Stimmen der Freiheitlichen – beschlossen, dass eine allgemeine Studie über die Straßennamen erstellt wird. Die ganze Aktion war zwar als nicht anlassbezogen deklariert, sie wurde aber nicht ganz zufällig zu einem Zeitpunkt vom Stapel gelassen, der zeitnahe zur Ausstrahlung einer ORF III-Dokumentation lag, die dem großdeutschen Politiker und Burschenschafter Franz Dinghofer als einem der „Baumeister der Republik“ im Februar dieses Jahres gewidmet war. Unter Federführung der oberösterreichischen Nachrichten wurde damals von den Medien in breiter Front als Faktum verbreitet, Dinghofer wäre Nationalsozialist gewesen; als Indiz wurde eine auf seine Person – wohl von der Parteizentrale in München – ausgestellte Mitgliedskarte präsentiert, wonach dieser auf eigenen Antrag vom 18. April 1940 mit Wirkung zum 1. Juli 1940 als Mitglied der NSDAP, Ortsgruppe Wien, Gau Wien, geführt wurde. Damit war die Hetzjagd auf ihn eröffnet. Dinghofer, von 1901 bis 1918 auch Mitglied des Gemeindesrates und seit 1905 sogar Bürgermeister von Linz, wäre mit der Nazi-Brandmarkung als Namensgeber eines Straßenzuges in Linz untragbar geworden.

Anfang Mai 2019 folgte sodann in der Samstagbeilage der Tageszeitung „Die Presse“ ein Beitrag des renommierten österreichischen Sozial- und Wirtschaftshistorikers Roman Sandgruber, bis 2015 ordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Linz, mit dem wenig aussagekräftigen Titel „Die Kamig und ihr Ariseur“; kurz zur Erklärung: Die KAMIG, eine 1922 gegründete Kaolin- und Montanindustrie-AG mit Sitz im oberösterreichischen Mühlviertel, stand mehrheitlich im Besitz von jüdischen Aktionären, darunter als Mehrheitsaktionärin die Familie Götzl, welche das Unternehmen auch heute noch führt (allerdings in der Rechtsform einer GesmbH & Co KG). Franz Dinghofer war damals Kleinstaktionär (mit etwa einem Zwanzigstel des Aktienkapitals) und wurde – wohl als prominentes Aushängeschild – zum Aufsichtsratspräsidenten bestellt.

Doch zurück zu Sandgruber und seinen Beitrag in der Presse: Dem wenig aussagekräftigen Titel „Die Kamig und ihr Ariseurhat die Redaktion in einem Kasten zum besseren Verständnis für die Leser ergänzt durch den Zusatz:
Ein Franz-Dinghofer-Institut als Denkwerkstatt, eine Franz-Dinghofer-
Medaille als Parteiauszeichnung: In Franz Dinghofer meint die FPÖ       einen politisch unbelasteten Vorfahren gefunden zu haben. Ein Blick
in die Archive fördert anderes zutage.“
Und dann folgt ein Porträt über den Namenspatron des freiheitlichen „Dinghofer Instituts−Studiengesellschaft für Politikforschung“, ein Porträt, mit dem Dinghofer das Image eines Antisemiten und bekennenden Nationalsozialisten sowie – in Zusammenhang mit der 1938 erfolgten Enteignung der jüdischen KAMIG-Aktionäre – eines skrupellosen Ariseurs verpasst wird.

Die von Sandgruber zu diesen Vorwürfen aufgestellten Behauptungen wurden in der Folge im Juli dieses Jahres in einer online-Ausgabe der Presse durch eine Entgegnung von Peter Avancini, einem Enkel von Dinghofer, in Frage gestellt, in dieser Replik konnten Einwendungen gegen Sandgruber aber nur fragmentarisch ausgeführt werden. Avancini ist emeritierter Rechtsanwalt in Wien, er war hier auch außerordentlicher Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht an der Wirtschaftsuniversität: Er konnte auf Grundlage von durch seinen Großvater mütterlicherseits hinterlassenen Papieren sowie aus anderen, öffentlich zugänglichen Akten, Tatsachen vorlegen, welche die Persönlichkeit und das Handeln von Dinghofer in das rechte Licht rücken. Diese Einwendungen hatte Avancini bereits im Juni 2019 in wesentlich größerem Umfang in einem persönlichen Brief an Roman Sandgruber ausgeführt – ohne jedoch eine Stellungnahme von diesem dazu zu erhalten. Peter Avancini hat sein Schreiben an Sandgruber auch an Herrn Abgeordneten Martin Graf, Mitglied des Dinghofer Instituts-Vorstandes, übermittelt, von diesem wurde es an den Wissenschaftlichen Beirat des Dinghofer-Instituts weitergeleitet – als Grundlage für eine geeignete Publikation. Ich habe für den Wissenschaftlichen Beirat des Dinghofer-Instituts die Aufgabe übernommen, die Kontroverse zwischen Sandgruber und Avancini in einem Beitrag zu dokumentieren und – wo notwendig – auch zu kommentieren. Diese Anmerkungen bzw Ergänzungen basieren auf Grundlage von jüngst publizierten biographischen Würdigungen der Person Franz Dinghofers, sie wurden durch weitere, aus Archiven in Wien und Berlin erhobene Tatsachen über seinen Werdegang und seine persönlichen Einstellungen, ergänzt. Diese Dokumentation wird in dem vom Dinghofer−Institut herausgegebenen Sammelbandes publiziert und am 12. November 2020 im Rahmen eines Symposiums der Öffentlichkeit präsentiert.

Dieser Beitrag bezweckt die Rechtfertigung von Franz Dinghofer als „Mentor“ einer freiheitlichen „Denkwerkstatt“ und als Namenspatron des Dinghofer-Instituts. Hier kann auf Einzelheiten dieser Dokumentation nicht eingegangen werden, aufgrund der darin über Franz Dinghofer erhobenen neuen Befunde über seine politische Tätigkeit und sein persönliches Verhalten kann aber als Ergebnis folgendes Fazit – in drei Punkten – zusammengefasst werden; die in Buchform veröffentlichte Fassung enthält auch die entsprechenden Quellen und neuen Belege aus Archiven und der aktuellen Literatur. Im Folgenden sind nur dort Belege angebracht, wo Ergänzungen der in Buchform publizierten Fassung, deren Produktion schon begriffen ist, erfolgt sind.

1. von Franz Dinghofer liegt keine persönliche Erklärung über eine Mitgliedschaft zur NSDAP vor.

Nach Auskunft des deutschen Bundesarchivs liegt zu der auf Dinghofer ausgestellten Mitgliedskarte kein Aufnahmeantrag vor, außerdem soll die Mitgliedskarte laut Vermerk in der Zentralkartei auch erst am 30. September1941 ausgestellt worden sein, also mehr als ein Jahr nach der auf der Mitgliedskarte vermerkten Wirksamkeit. Wann, ob sie vom örtlichen Hoheitsträger der Partei in Wien überhaupt ausgehändigt worden ist, lässt sich auch nicht feststellen. Eine NSDAP-Mitgliedschaft ist mangels persönlicher Erklärung von Dinghofer also formal nie rechtswirksam gewesen. Diese Erkenntnis wird zudem gestützt durch andere NS-Akten über Dinghofer in Wiener Archiven:
Gemäß dem im Staatsarchiv befindlichen sogenannten Gauakt wurden noch am 4. Juli 1940 – also nach dem Zeitpunkt des vermeintlichen Wirksamwerdens der Mitgliedschaft am 1. Juli − von Seiten des Gauwirtschaftsberaters Erhebungen über die politische Einstellung von Dinghofer gemacht, am 19. Juli wurde er vom Gauhauptstellenleiter als „politisch zuverlässig“ eingestuft, fast drei Wochen nach Beginn der vermeintlichen Parteimitgliedschaft von Dinghofer.
Es gibt aber in Wien, nämlich im Stadt- und Landesarchiv, noch einen zweiten (!) „Gauakt“ über ihn, wonach Dinghofer bereits seit 15. Mai 1933 (!) Parteiglied geworden sein soll, freilich ohne Angabe einer Mitgliedsnummer, aufgenommen am 8. Juli 1939: Die Unterschriftszeile trägt den in Bleistift geschriebenen – aus heutiger Sicht geradezu grotesken – Vermerk: „Dr. Dinghofer weilt derzeit auf Urlaub“! Dinghofer hat diese Erklärung natürlich nie unterschrieben, weil er sie ja auch nie abgegeben hat!
Würde man diesen Akt für bare Münze nehmen, so wäre Dinghofer nach 1945 als sogenannter „Illegaler“ schärfsten Sanktionen ausgesetzt gewesen, ja er wäre strafrechtlich sogar als Hochverräter zu behandeln gewesen. Ganz im Gegensatz dazu existieren aber im Wiener Stadt- und Landesarchiv (im Aktenbestand der für die Registrierung der Nationalsozialisten zuständigen Magistratsabteilung) keinerlei Aufzeichnungen über Dinghofer.
Dem entspricht auch die Tatsache, dass er nach Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs nicht nur keinerlei Entnazifizierungsmaßnahmen unterzogen, sondern im Gegensatz dazu von Justizminister Gerö wegen – politisch bedingter − vorzeitiger Entlassung aus dem Richterdienst (als Präsident des Obersten Gerichtshofes) sogar schadlos gehalten wurde: Die ihm infolge seiner vorzeitigen Entlassung wegen „politischer Unzuverlässlichkeit“ als Präsident des Obersten Gerichtshofs entgangenen Dienst- und Pensionsansprüche wurden ihm rückwirkend ab Beginn des gesetzlichen Pensionsalters erstattet! Justizminister Gerö war übrigens im Mai 1938 gemeinsam mit Dinghofer aus dem Richterdienst entlassen worden – aus rassischen Gründen!

Damit ist das Sichwort für den nächsten Punkt gefallen:
2. ist von einem rassistisch motivierten Antisemitismus im Handeln von Dinghofer keine Spur zu finden:

Von Dinghofer ist eine antisemitische Äußerung überliefert, die er als Neuling im Linzer Gemeinderat 1903 in Zusammenhang mit einem Antrag des oberösterreichischen Tierschutzvereins auf Verhängung eines Schächtverbotes gegen die Israelitische Kultusgemeinde in Linz, als Referent des Antrags abgegeben hat. Dinghofer erklärte damals in diesem Zusammenhang, dass er als Antisemit eigentlich für ein „Ausziehen“ der Juden aus Linz eintreten müsste, aus materiellen wie nationalen Gründen: Dinghofer vertrat die Ansicht, dass Juden, die sich in keine der in der österreichischen Monarchie bestehenden Nationalitäten der integriert haben, als eigene Volksgruppe zu betrachten seien.[3] Die Berufung auf „materielle“ Gründe war wohl dem Verbalradikalismus geschuldet, wie er in dieser Zeit typisch war für politische Vertreter des bürgerlichen Mittelstandes – auch bei den Christlichsozialen war das damals gang und gäbe. Die Berufung auf „nationale“ Gründe zielte auf die Ablehnung des ordodoxen Judentums ab. In der Sache selbst vertrat Dinghofer dennoch die verfassungsrechtlichen Interessen der Juden als staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft, er stellte sich damit ganz auf den Boden des Rechtsstaates und sprach sich gegen das Anliegen des Tierschutzvereins aus.

Dass Dinghofer in jungen Jahren in Bezug auf seine antisemitische Einstellung vielleicht radikal gewesen sein mag, kann man nicht ausschließen, er gehörte in Graz als Student einer Burschenschaft an, der Ostmark, welche sich in seiner Aktivenzeit in der Debatte um die Einführung bzw Ablehnung des sogenannten Waidhofener Prinzips (Ablehnung der Satisfaktion gegenüber jüdischen Studierenden und damit Exklusion von der Mitgliedschaft in deutsch-nationalen Verbindungen) letztendlich für letztere Position entschieden hatte. Welche Rolle Dinghofer dabei gespielt hat, lässt sich nicht mehr sagen. Er räumte später – freilich im Scherz – ein, dass ihn seine Gesinnungsgenossen wohl auf den exponierten Posten des Bürgermeisteramtes von Linz gesetzt hätten, um seine radikalen Anschauungen zu bändigen.
Tatsächlich gibt es aber im Verlauf seiner langen politischen Karriere keine Belege für rassistisch motivierte antisemitische Äußerungen. Dinghofer hat sich in dieser Zeit in politischen Diskussionen im Parlament nie zu antisemitischen Äußerungen hinreißen lassen wie etwa Julius Raab[4], der als christlichsozialer Mandatar der Heimwehren im Juli 1930 im Nationalrat während einer Plenarsitzung quer durch den Sitzungssaal dem sozialdemokratischen Abgeordneten Otto Bauer lautstark „Frechling, … Saujud!“ zurief.[5] Bauer war als deutschösterreichischer Außenminister ein glühender Anschluss-Befürworter, nach Scheitern der Anschlussbemühungen Österreichs an ein demokratisches Deutschland in Paris-St.Germain hat er 1919 auf sein Amt resigniert. Raab dagegen hatte sich nach dem schrittweisen Staatsstreich von 1933 zunächst unter Engelbert Dollfuß in der Rolle eines Heimwehr-Führers und später als Präsident des österreichischen Gewerbebundes (1934) und schließlich (1938) in der Rolle des eines Handelsministers als „Baumeister des Faschismus“ und Gefolgsmann des österreichischen „Führers“ Kurt Schuschnigg hervorgetan.[6]

Dinghofer unterhielt als Politiker, aber auch als Aktionär der KAMIG, ständigen Umgang mit jüdischen Bankfachleuten und Wirtschaftstreibenden aus Prag, Berlin und Wien. Etwa zu Egon Basch, dem Direktor der Anglo-Austrian-Bank (nicht zu verwechseln mit der Anglo Austrian AAB Bank AG, der 2019 abgewickelten ehemaligen Meinl-Bank), der 1922 auch in die Gründung der KAMIG involviert war, teilte sich Dinghofer – als Vizekanzler und später als Justizminister – über viele Jahre eine Loge im Burgtheater in Wien; Basch war selbst überzeugt, dass Dinghofer „kein Antisemit war“.

Damit ist auch das Stichwort für den letzten Punkt gefallen:
3. das Verhalten von Dinghofer in der Causa KAMIG lässt ihn keineswegs als einen profitgierigen Ariseur charakterisieren; der von ihm als Geschäftspartner der jüdischen Aktionäre vermittelte Verkauf des Geschäftskapitals stellte – unter den gegebenen politischen Verhältnissen – die bestmögliche Lösung dar.

Die KAMIG wurde 1922 von den jüdischen Unternehmern Paul Götzl und Rudolf lllner (er war bis 1938 Generaldirektor der KAMIG) gegründet. Als Kleinaktionäre kamen noch die Brüder Carl und Rudolf Askonas hinzu sowie Franz Dinghofer mit einem Anteil von nur 4 Prozent – er fungierte wie erwähnt – auf Grund seiner hohen politischen Funktionen als „Aushängeschild“ und saß dem Aufsichtsrat vor.
Nach dem Anschluss war unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die Arisierung der von Juden gehaltenen Aktien, das heißt eine Überführung in deutschen Besitz ganz allgemein, und somit im auch Fall der KAMIG unausweichlich − stand sie doch zu mehr als 90 % im Eigentum jüdischer Aktionäre; davon abgesehen war das Unternehmen auch für die Autarkiepolitik des Dritten Reichs wichtig.

Die Details des Verfahrens zur Veräußerung dieses jüdischen Aktienvermögens, in dem Dinghofer – im Einvernehmen mit den jüdischen Aktionären − eine Vermittlerrolle einnahm, sind komplex. Dinghofer selbst hatte nur einen Bruchteil der jüdischen Aktien übernommen, der Großteil landete in einem staatlichen Arisierungsfond; die Erlöse der jüdischen Aktionäre waren auf Sperrkonten erlegt worden.
Nach 1945 wurde die Arisierung der KAMIG für nichtig erklärt. Das Rückstellungsverfahren gegen Dinghofer wurde 1951 durch Vergleiche mit den betroffenen jüdischen Aktionären einvernehmlich beendet. Schon allein dieser Umstand erweist, dass die Beteiligung von Dinghofer an dem durch die neuen Machthaber erzwungenen Verkauf der KAMIG-Aktien nicht jenen Unrechtsgehalt hatte, den ihm Sandgruber in seinem Presse-Artikel zuschieben wollte. Der Umstand der Einstellung und das Verhalten von Dinghofer waren mehr als korrekt; dies wird auch von einem der jüdischen Aktionäre, Rudolf lllner in einem Brief zum Neujahr 1951 nachdrücklich bekräftigt; es heißt darin an Dinghofer adressiert: „Ein neues Jahr soll man mit einer guten Tat oder mit einem erfreulichen Ereignis beginnen; mir ist jedenfalls das Letztere beschieden worden in Gestalt Ihres Briefes, der mir eine große und aufrichtige Freude war. Mit jedem Wort Ihres Briefes sprechen Sie mir aus der Seele und mit Ihrem Vorschlag, dass wir uns bald sehen sollten, erfüllen Sie nur einen seit jeher von mir gehegten Wunsch. Sobald es Ihnen genehm ist, erwarte ich Ihren Anruf, und meine Frau und ich erbitten uns das Vergnügen Sie zu einem gemütlichen Nachtmahl haben zu können; […] Es war nicht mein Verlangen, mich auf Ihre Kosten zu bereichern, nur deshalb, weil Sie 1938 – meiner Meinung nach unbewusst – Fehler gemacht haben, […] Finanziell hat mich der Aktienverlust schwer betroffen. So wenig Sie auch dafür können, war ich ja doch jetzt gezwungen, mir den größten Teil meines früheren Besitzes mit eigenem Geld zurückzukaufen, nachdem ich s[einer]z[ei]t. von dem Kaufbetrage [weil die Erlöse auf Sperrkonten zugunsten des NS-Reiches erlegt worden waren] so gut wie nichts erhalten habe.“
So schreibt doch kein Expropriierter an einen Ariseur, der ihn schamlos ausgebeutet und eigennützig um sein Vermögen gebracht haben soll. In der von Angehörigen der Familie Götzl als aktuelle Inhaber der KAMIG zum 80jährigen Bestand des Unternehmens im Jahr 2002 veröffentlichten Festschrift findet sich über die Tatsache der Arisierung lediglich der lapidare Hinweis: „Während des 2. Weltkrieges wurde der Aktienbesitz vom Staat verwaltet und das Zentralbüro des Unternehmens nach Wien verlegt“. Mit keinem Wort klingt eine Unrechtshandlung an, geschweige denn, dass eine solche Dinghofer zugerechnet würde.

Zum Schluss ist als Fazit festzuhalten:
Franz Dinghofer ist als politisch integrer und moralisch redlicher Parteigenosse der großdeutschen Volkspartei, wie kaum ein anderer aus den Reihen dieser Vorfahrin der Freiheitlichen Partei, prädestiniert, als „Mentor“ einer „freiheitlichen Denkwerkstatt“ zu fungieren.
Tief gehende Blicke in die Archive widerlegten die von den Kritikern der Person Dinghofers bloß oberflächlich recherchierten Befunde und bestätigen nachdrücklich das in der freiheitlichen Bewegung über ihn bestehende Bild als einem „Mann der Mitte“ und „aufrechten Demokraten“: Und deswegen wird Dinghofer von freiheitlich gesinnten Österreichern zu recht als „Baumeister der Republik“ und „österreichischer Patriot“ gewürdigt.

[1] Siehe dazu den Beitrag „Franz DINGHOFER war kein ,Nazi‘, kein Mitglied der NSDAP – Wikipedias Zensurmaschine löschte Belege aus der Seite über Franz Dinghofer, die seine Mitgliedschaft zur NSDAP widerlegten!“ auf meiner Homepage [https://homepage.univie.ac.at/Christian.Neschwara/aktuelles].

[2] Siehe dazu: Christian Neschwara, Gedenken an deutsche Patrioten, in: Junges Leben 2020-1, 11f.; sowie ders., Zur Rechtfertigung von Franz Dinghofer als „Mentor“ einer freiheitlichen „Denkwerkstatt“ – Dokumentation einer Kontroverse, in: Dinghofer Institut / Ch. Neschwara (Hrsg.), 100 Jahre Verfassung – 10 Jahre Dinghofer-Institut: Die Symposien 2010 bis 2020. Der Sammelband wird durch den Ares-Verlag Graz verlegt und am 12. November 2020 aus Anlass der Kundmachung des Bundes-Verfassungsgesetzes vor 100 Jahren im Rahmen des Dinghofer-Symposiums der Öffentlichkeit vorgestellt; darin der Beitrag „Zur Rechtfertigung von Franz Dinghofer als ,Mentor einer freiheitlichen Denkwerkstatt“ – Dokumentation einer Kontroverse (bearbeitet von Christian Neschwara).

[3] Wie der Burschenschafter Edmund Bernatzik (Silesia / Wien), der diesen Standpunkt als Mitglied des Reichsgerichts, dem Verfassungsgericht der Monarchie, mehrfach vertreten hat – freilich als einziger Verfassungsrichter: Vgl. dazu Ch. Neschwara, Zum 100.Todestag von Edmund Bernatzik / B! Silesia Wien (1854–1919). Ein deutschnationaler Burschenschafter als Traditionsträger der Wiener Staatsrechtslehre,
in: Burschenschaftliche Blätter 2019/2, 74–75.

[4] Raab war Mitglied der KaV Norica (Wien), jetzt im ÖCV. Außerdem war er Mitglied der AV Austria (Innsbruck), ebenfalls im ÖCV. Gemeinsam mit dem Gymnasiasten Leopold Figl gründete er damals auch die Mittelschulverbindung K.Ö.M.V. Nibelungia (St. Pölten). Figl war ebenfalls Unterstützer der diktatorischen Regime Dollfuß−Schusschnigg, und zwar als niederösterreichischer Landesführer der „Ostmärkischen Sturmscharen“ (O SS), einem Heimwehr-Derivat mit prononciert rassistisch motiviertem antisemistischem Einschlag, auch als „Ölberghusaren“ oder als „SA des Ständestaates“ bezeichnet, mit „Arierparagraphen“ in den Statuten; Figl war dem Reichsführer-OSS (Schusschnigg), als dieser Bundeskanzler war, Reichsbauernbundführer dann auch eine wichtige politische Stütze beim Aufbau eines Austrofaschismus: Vgl. D. Ellmauer / M. John / R. Thumser (Hrsg.), „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich. (=Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission Band 17), München 2004, 64.

[5] Bauer hatte sich – in Zusammenhang mit der Abstimmung über ein neues Waffengesetz die süffisante Bemerkung erlaubt: „Der Raab applaudiert, die Heimwehr ist zufrieden“: Stenographisches Protokoll, 138. Sitzung des Nationalrats der Republik Österreich, III. Gesetzgebungsperiode, Mittwoch, 11. Juni 1930, 3837, das Protokoll vermerkt „Anhaltende Zwischenrufe“, aber keinen Ruf zur Ordnung durch den christlichsozialen Präsidenten Gürtler.

[6] Dazu Klemens Kaps, Baumeister des Faschismus. (…) Lehrjahre eines österreichischen Staatsvertragskanzlers. In: Monatszeitschrift Datum, Nr. 9 / 2005 [https://web.archive.org/web/20150923212843/http://www.datum.at/artikel/baumeister-des-faschismus/]., der Raab, eine Ikone des österreichischen Selbstverständnisses nach 1945 als „Antisemit, Hetzer gegen die Demokratie, Mitglied paramilitärischer Vereinigungen“ charakterisiert.